Vortrag Prof. Dr. Karl-Peter Fritzsche
Prof. Dr. Fritzsche bezeichnet die Kinderrechtekonvention als revolutionäres Dokument, deren vier Säulen die Überlebensrechte, Schutzrechte, Entwicklungsrechte und Partizipationsrechte als egalitärer Anspruch in diesem internationalen Dokument genormt sind.Wichtige Inhalte der Konvention sind: "Kinder sind nicht Eigentum ihrer Eltern. Kinder sind nicht Bittsteller um Menschenrechte, sondern Berechtigte! Wichtig ist ein größtmöglicher Grad an Mitbestimmung."
Ein Kernpunkt der Konvention ist das Recht auf Bildung. Nur wer seine Rechte kennt und weiß, wo und wie er sie durchsetzen kann, kann sie auch nutzen.Eine internationale Diskussion löste der deutsche Vorbehalt aus, Kinderrechtsschutz für begleitete Flüchtlingskinder nur bis zum 16. Lebensjahr zu gewähren.Im weiteren Verlauf ging Prof. Dr. Fritzsche auf Fragen der Menschenrechtskompetenz ein, so das Recht, sich selbstbestimmt entwickeln zu können. Fritzsche erklärte aber auch die Toleranzgrenzen der interkulturellen Verständigung, wie zum Beispiel Genitalverstümmelung von Frauen oder Zwangsverheiratung.Als langfristige und nachhaltige Maßnahme definiert Fritzsche die Kinderrechtsbildung, mit der frühstmöglich begonnen werden muss.
Interview mit Prof. Dr. Karl-Peter Fritzsche
Das Recht auf Bildung kann nur verwirklicht werden, wenn auch das Recht auf Leben verwirklicht ist. Wie kann ein solches Recht aber in Anbetracht von Aids und Kindersoldaten weltweit durchgesetzt werden?
Prof. Fritzsche: "Ein solches Recht kann nur allgemein und umfassend verwirklicht werden, wenn die Welt es schafft, die Armut in den sich entwickelnden Ländern zu bekämpfen. Denn dass es immer noch eine solche Schere zwischen arm und reich auf der Welt gibt, ist die größte Verletzung von Menschenrechten überhaupt. Man verweigert damit den noch nicht entwickelten Ländern ihr anerkanntes Recht auf Entwicklung. Erst wenn diese Diskrepanz ad acta gelegt ist, dann ist ein großer Schritt in Richtung einer positiven Entwicklung des Rechtes auf Leben verwirklicht."
Nur wie kann das Menschenrecht auf Entwicklung verwirklicht werden?
Prof. Fritzsche: "Dafür müsste die Mitglieder der Weltgemeinschaft noch mehr als in den letzten Jahrzehnten über den eigenen Tellerrand schauen, denn sonst werden die Industriestaaten bald mit einem Zuwachs an Flüchtlingen zu leben haben. Und nur mit einer Hilfe zur Selbsthilfe und einem Rechtsanspruch, das Menschenrecht auf Entwicklung stärker einfordern und wohlmöglich zukünftig auch einklagen zu können, zum Beispiel vor einem mächtigeren und vor allem entscheidungsberechtigten UN-Gremium, werden wir dieses verwirklichen können."
Sie sprachen in Ihrem Referat davon, dass Jugendliche und Kinder nicht nur Instrumente ihrer Eltern und der Gesellschaft sind. Doch wie kann dies im Alltag auch verwirklicht werden?
Prof. Fritzsche: "Eine qualifizierte Jugendpartizipation ist der Grundstein einer selbstbestimmten Jugend. Doch dafür müssen auch die notwendigen Grundlagen gelegt werden. Das heißt, in der politischen Bildung muss verstärkt der Fokus darauf gelegt werden, zur Partizipation zu befähigen, dass Jugendliche lernen demokratische Prozessen mit zu gestalten. Dazu gehört aber auch getroffene Mehrheitsentscheidungen zu akzeptieren, sich gleichzeitig aber auch von Aussagen von Politikern und Spitzen aus der Wirtschaft nicht entmutigen zu lassen, wenn diese einmal nicht den eigenen Vorstellungen entsprechen. Partizipation erfordert nicht nur Wissen, sondern auch Ausdauer und Hartnäckigkeit."
Sie fordern damit quasi mehr Demokratieverständnis ein. Sollten dann aber nicht auch direkte Demokratieprozesse, wie Volksentscheide, mehr Bedeutung in Deutschland erhalten?
Prof. Fritzsche: "Eine gute Mischung aus direkter- und repräsentativer Demokratie ist der Grundstein eines funktionierenden politischen Gemeinwesens. Wenn man in Deutschland zum Beispiel das Volk über die Wiedereinführung der Todesstrafe direkt entscheiden lassen würde, könnte diese Entscheidung aufgrund höchst emotionalisierter Debatten durchaus zu einem Ergebnis führen, das die Mehrheit der Bevölkerung eigentlich gar nicht haben wollte. Wenn man es also schaffen würde, solche Debatten gänzlich rational zu führen, könnte man auch über eine Ausweitung solcher direkten Demokratieinstrumente nachdenken."
Das Interview führte Erik Staschöfsky
Mehr Informationen finden sie auf den Webseiten von Prof. Dr. Karl-Peter Fritzsche
www.menschenrechtserziehung.de
www.unserekinderrechte.de
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